2008-01-04: Presseerklärung zum Gerichtsurteil vom 3. Januar


Landgericht Hamburg entscheidet gegen Mitglieder des Bund der Versicherten


In einem am 03. Januar 2008 verkündeten Urteil hat das LG Hamburg die Klage von 10 Vereinsmitgliedern gegen den bundesweit tätigen Bund der Versicherten – BdV - abgewiesen.

Geklagt hatte eine lose Gruppe von BdV-Mitgliedern, die über den Ablauf der beiden Mitgliederversammlungen vom November 2006 entsetzt sind, darunter z.B. ein promovierter Informatiker (31 J.), ein pensionierter Bürgermeister einer kleinen Gemeinde in Dithmarschen (68 J.), ein leitender Mitarbeiter eines großen deutschen Kfz.-Vermieters (43 J.), ein Unternehmensberater (76 J.), ein Diplom-Ingenieur und Laienrichter beim Bundesarbeitsgericht (64 J.), ein Rechtsanwalt (55 J.) sowie ein kaufmännischer Angestellter und ein pensionierter Bank-Revisor.

Die Kläger hatten mit ihrer Klage die Beschlüsse der beiden Mitgliederversammlungen aus dem November 2006 angefochten, mit denen eine neue Satzung beschlossen und nach den Regeln dieser neuen Satzung auch gleich sechs neue Vereinsfunktionäre gewählt worden waren.

Die Kläger hatten der damaligen Geschäftsführerin eine Reihe von Verstößen gegen Beschlüsse der vorherigen Mitgliederversammlung und die frühere Satzung vorgeworfen: So hatten nur die Geschäftsführerin (Lilo Blunck) und der stellvertretende Vorsitzende (Thorsten Rudnik, ein den Weisungen der Geschäftsführerin unterworfener Mitarbeiter) zur Mitgliederversammlung geladen, während die damaligen Vorstandsmitglieder Axel Trawöger (Vorstandsvorsitzender) und Heidemarie Prager (Schatzmeisterin) nicht einmal informiert worden waren. Der Beschluss der Mitgliederversammlung 2005, für die Beratung und Abstimmung über eine neue Satzung eine gesonderte (auf einen anderen Tag vorgezogene) außerordentliche Mitgliederversammlung abzuhalten, wurde missachtet. Die eingereichten und teilweise umfangreichen Änderungsanträge wurden erst unmittelbar vor der Sitzung verteilt. Die Redezeiten für die Antragsteller wurden auf 2 bis 4 Minuten verkürzt. Das Ergebnis der anschließenden ordentlichen Mitgliederversammlung wurde vorweggenommen, indem Tagesordnungspunkte, die bei Ablehnung der neuen Satzung erforderlich gewesen wären, gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt wurden. Die drei vorgeschlagenen neuen Vorstandsmitglieder waren zudem die ehemalige Geschäftsführerin (Lilo Blunck), deren Mitarbeiter Thorsten Rudnik und deren weitere Mitarbeiterin Heike Fricke. Die „Aufsichtsratsmitglieder“, die sie kontrollieren sollten, hatten sie selbst vorgeschlagen bzw. mitgebracht, unter ihnen zwei Parteifreunde der Geschäftsführerin Blunck. Eine Anregung aus der Versammlung, wenigstens ein oder zwei „neutrale“ Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat aufzunehmen, wurde niedergestimmt.

In diesem Zusammenhang hatten die Kläger argumentiert, daß die Mitgliederversammlung von den Angestellten des Vereins und einer Tochter-GmbH sowie deren Familien und Freunden beherrscht worden sei. Der BdV hat bundesweit rd. 50.000 Mitglieder; an den Versammlungen am 25.11.2006 hatten dagegen nur etwas über hundert Mitglieder teilgenommen.

Mit der Klage sollten deshalb die Beschlüsse sowohl der außerordentlichen Versammlung, die über die neue Satzung abzustimmen hatte, als auch der nachfolgenden ordentlichen Versammlung, die nach der gerade erst befürworteten neuen Satzung u.a. einen neuen Vorstand und den erstmals eingeführten Aufsichtsrat wählen sollte, für unwirksam erklärt werden. Außerdem verlangten die Kläger die Herausgabe einer Mitgliederliste, um ihre Sicht der Dinge den „übrigen“ rd. 49.900 Mitgliedern des BdV mitteilen zu können. Ziel der Klage ist eine Wiederholung der Mitgliederversammlung 2006 nach gründlicher Vorbereitung und mit größerer Mitgliederteilnahme, zu welcher die Kritiker aufrufen wollen. Dies sollte durch Herausgabe der Mitgliederdaten oder Bereitstellung einer Veröffentlichungsmöglichkeit im Vereinsblatt BdV-Info ermöglicht werden.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist aber auch ein von der damals wie heute amtierenden Geschäftsführerin gewünschter Kurswechsel des Vereins von einem unbequemen und streitbaren Verbraucherschutzverein hin zu einem weichgespülten Gruppenversicherungs-Vermittlungsverein, dessen neues Motto die Geschäftsführerin wie folgt formuliert: „Kooperation wo möglich - Konfrontation wo nötig“. Diese „Kooperation“ findet nach Auffassung der Kritiker in einer extensiven Ausweitung der von einer BdV-Tochtergesellschaft angebotenen Gruppenversicherungsverträge ihren Ausdruck, die eine „Konfrontation“ gar nicht mehr erlaubt. Bestätigt wird diese Einschätzung dadurch, dass die BdV-Geschäftsführerin als Übergangs-Nachfolger für den zurückgetretenen Vorstandsvorsitzenden Axel Trawöger ausgerechnet einen ausgewiesenen Versicherungsvermittler, Herrn Fritz Lange, hat wählen lassen, obwohl ein Versicherungsvermittler nach der Satzung des Vereins gar nicht Mitglied des Vereins sein darf. Bestätigt wird diese Einschätzung ferner dadurch, dass die Handelskammer Hamburg die BdV-Service GmbH unlängst aufgefordert hat, sich als Versicherungsvermittlungsgesellschaft registrieren zu lassen.

Doch stellen die Kritiker, die sich im übrigen unter www.Bund-der-VerUNsicherten.de austauschen, klar: Wenn die Mitglieder des BdV einen solchen Kurswechsel tatsächlich mit Mehrheit wünschen sollten, müßten und würden die Kläger sich diesem Votum natürlich beugen – das würde aber voraussetzen, daß alle Mitglieder darüber auch gründlich informiert werden und die Gelegenheit haben, untereinander die Änderungen zu diskutieren – das wurde aber gerade verhindert.

Nachdem das Gericht den Klägern schon in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2007 wenig Hoffnung auf einen Erfolg ihrer Klage gemacht hatte, hat es diese jetzt wie angekündigt abgewiesen und den Streitwert, einer Anregung des BdV folgend, auf 110.000,-- € festgesetzt.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger, Rechtsanwalt Hartmut Reclam aus Hamburg, hat diese Entscheidung wie folgt kommentiert: „Dies ist erst die Entscheidung der ersten Instanz. Wir müssen die schriftliche Begründung des Urteils abwarten – erst dann kann geprüft werden, ob eine Berufung eingelegt werden soll. Zudem werden wir den Streitwertbeschluss, der nur dem vergleichsweise reichen BdV, nicht aber seinen Kritikern die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe ermöglicht, angreifen.“


Hartmut Reclam
Rechtsanwalt und Fachanwalt für
Bau- und Architektenrecht

von Harten – Rechtsanwälte

Donnerstag, 17. Januar 2008 - 22:03 Uhr (CET)


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